Ein Kanu Urgestein ist verstorben

02.08.2025 15:35
von Marianne Stenglein

Moli's Memoiren - Der Schifferlfahrer

Ein Kanu-Urgestein ist verstorben

Am 3. Mai 2025 verstarb unser langjähriges Mitglied Ferdinand Molitorisz „Moli“ im Alter von 92 Jahren. Er ist bereits in den sechziger Jahren in den Verein eingetreten und war einer der ersten, der den Wildwassersport-Breitensport bei KSA einführte und über Jahrzehnte mit prägte.

Es gab nicht viele Flüsse im Alpenland die er nicht befuhr. Mit ihm unterwegs zu sein war immer ein Abenteuer, denn seine launische aber herzliche Art war immer für eine Überraschung gut.

Moli’s Ziel war es, in dem Jahr in dem er achtzig wurde, die Olympiastrecke auch 80 mal zu befahren. Er war mit Recht sehr stolz darauf, dass es ihm auch gelungen war.

Für seine Verdienste bekam er 1980 die Verdienstnadel in Bronze verliehen.

Moli wurde auf seinen Wunsch anonym beerdigt. Am 7. Juni trafen sich darum ca. 30 Vereinsmitglieder im Bootshaus zur einer Gedenkfeier und fast jeder von ihnen hatte eine Geschichte oder ein Erlebnis mit ihm zu erzählen.

Im Jahre 2006 hat er seine Memoiren als „Schifferlfahrer“ geschrieben.

Wir werden unseren Moli in gebührenden Erinnerung behalten!

H.W.

Moli’s Memoiren

Der Schifferlfahrer

Losgangen is in einer vollgelaufenen schwabinger Kiesgrube. Ein paar Balken und Bretter vom stillgelegten Quetschwerk ergaben einen Floß und mit einer Stange wurde das Gefährt bewegt. Schwimmen hab ich da noch nicht können! Eine Sprengbombe zerstörte das Wohnhaus, zwei Tage später wurden wir aus dem verschütteten Keller gegraben. Die Familie floh aus der Trümmerwüste nach Murnau am Staffelsee. US-4 mot. Bomber warfen leere Zusatztanks ab, die zigarrenförmigen Alubehälter ergaben nebeneinander montiert einen „Katamaran“ für den Seepiraten. Bei Kriegsende waren zahlreiche Bootshäuser unten am See aufgebrochen. Ein kleiner Ruderkahn konnte organisiert werden, der wurde dann am See-Ende im Schilf versteckt, dort, wo die Ache einläuft. Die Flotte war damit modernisiert. Eines Tages landete ich in Augsburg. Mit einem Inka – Schlauchboot schwamm ich von Stegen am Ammersee die Amper hinunter nach F-bruck. Es war faszinierend. Ein Skifahrerspezi erklärte das Schlauchboot für einen alten Hut. „Kauf dir doch ein Kajak“. Was hab ich eine Ahnung von einem Kajak? Das Schlauchboot wurde für ein Klepper-Zweisitzer-Faltboot eingetauscht. Jetzt war’s passiert: erst Wörnitz, Donau bis Regensburg, Tiroler Lech, Lech von Roßhaupten bis Schongau und von Landsberg bis Augsburg, Inn von Mötz bis Kufstein, Isar vom Sylvenstein bis München, die Iller von Fischen nach Hegge die Drau von Lienz bis weit unterhalb Villach bis Hollenburg, alles frei und ohne Stauwerke, mit wilden Biwaks, das schönste davon im Donaudurchbruch bei Weltenburg.

Dann tauchte der Karl Heinz Englet auf, der den Zweisitzer als Hadernkahn bezeichnete, mir ein Kunstoffkajak besorgte, mich mitnahm zum Hochablass. Gleich habe ich zwei Schwümme hingelegt, die Spritzdecke gab schwer nach, der Englet grinste und ich hab die erste Panik eingefangen. 66 bin ich zu den Kanu Schwaben gegangen, anlässlich eines Lehrgangs dort wurde mir das Walzenreiten beigebracht von da an ging’s allmählich aufwärts. Eine große Ehre widerfuhr mir. Weltmeister Englet nimmt mich mit auf die Ammer. Ein Schlüsselerlebnis.. Die Kanu-Schwaben waren seinerzeit ausschließlich wettkämpferisch tätig und ich suchte und fand einen Genossen für’s Wildwasserfahren. Der Spezl hatte eine BMW- Isetta und ich eine 2CVEnte mit einem selbstgeschnitzten Dachträger. Dann ging’s zur Ammer, Halbammer, Tiroler Isar, Uffinger Ach, Lech in Tirol, Imster Schlucht, Ehrwalder Loisach mit großem Respekt vor dem Gumpen, an die Griessenschlucht zu denken lag noch in der Zukunft, denn das war doch seinerzeit das Absolute. Ein Versuch auf der Ötz, war nach 100 Metern an der Brücke in Ötz bereits zu Ende und das Schifferl war weg. Studenten hatten die 4 m lange walzenförmige „Banane“ entwickelt, einen gutmütigen Kahn, der Fahrfehler verzieh, allerdings Kraft erforderte. Dieses Boot kam zur rechten Zeit. Bei einer Rast am Rest der alten Echelsbacher Brücke kommt einer mit „allgäuer-Sprech“ daher gepaddelt, sympathisch, einen alten Eishockeyhelm auf der Birne, ein ganz verhauter Hund. Ja, bei ihnen im Allgäu ist eine Kajakblase und er hat mich eingeladen, mal mitzufahren. Er hat mich bei seinen Freunden eingeführt, richtige allgäuer Käsbüffel, Bergsteiger, Skifahrer, Kletterer und mit Kajakerfahr-ung. Breitach, Bregenzer Ach, endlich Loisach-Griessenschlucht, Rißbach, Walchen, Ötz, Sanna, der Inn oberhalb von Landeck im obern Gericht, Trisanna, Rosanna, Sill, Rutzbach ab Fulpmes, Melach, Kelchsauer, Venterbach, Söldenstrecke der Ötz, Maurach und Herrenstrecke bis Östen, in der Schweiz Glenner, Vorderrhein, Verzasca, Moesa, Albula, Südtirol und Trentino, Eisack, Rienz, Passer, Avisio und Noce, hinüber in die Salzachöfen, Lammeröfen und Koppentraum, in Kärnten Malta, Lieser, Gail und in Slowenien Isonzo-Soca, Koritnica in Friaul die Cellina. Und noch die Fahrt nach Frangreisch Roya, Verdon-Canon, Var und Vesubie waren samt Land und Leuten ein Erlebnis.

Die Banane war inzwischen oft geflickt, ein Käufer fand sich, er beschwerte sich allerdings preisdrückerisch: das Boot „soachlt“ klar, wenn’s ernst geworden war, hab ich’s schon mal laufen lassen.

Bananen-Nachfolger war ein CANON S vom Prijon, ein feines Schiff mit Epoxydharz Unterteil. Nix mehr flicken.

Es waren die Kanu-Schwaben mit den ersten Großschlauchbooten, es hieß noch nicht Rafting. Wir fuhren in die Salzachöfen und den Engadiner Inn. Dieser Innteil war ein Sonderfall. Es gab über diesen Fluss keine Information, es hieß nur, Engländer seien einmal gefahren und waren im Krankenhaus von Scuol gelandet. Die Engadiner Kraftwerke wurden Anfang der Siebziger in Betrieb genommen, der Wasserstand dadurch kalkulierbar und es wurde gleich gestartet, Scanfer, Brailer, Giarsuner, Ardezer, Scuoler und Martina-Strecke und die Finstermünz.

Da waren wir auf dem Camping-Platz in Sur-En, der Vater Bosshard war noch da und der Fendant-Wein preisgünstig. Es fand dann mal die Nordrhein-Westfälische Wildwasserwoche statt. Soviel ich weiß, dort nur einmal. Diese Spezialisten fuhren im Knäuel in die Giarsuner ein, so „hei-didel-dum-dei“ und dann am ersten Abfall wars vorbei. Die „Preussenschleuder“ hatte zugeschlagen mit anschließenden Schwimmwettkämpfen.

Unser Eiskanal, die Olympiastrecke ging in Betrieb, das ist eine Trainingsmöglichkeit vor der Haustür, eine Sonderklasse. Eines Tages kamen die „Wolpertinger“ daher, der Kellner Jan mit Bruder Roman und ein Daniel. Mit diesen drei Ganoven zusammen wurden von Mittsommer bis in den Spätherbst 76 sämtliche Bäche und Bachteile, an die 44 aufgerollt. Alles was im Repertoire war. Es waren zwei Herren aus der Starnberger Gegend, sie hatten Blechbeschläge vorn am Helm, schauten aus wie die alten Rittersleut und die lotsten uns in die große Lechschlucht ab Warth bis Steeg und machten uns mit der Tiefenbachklamm der Brandenberger bekannt.

Eines Tages kam der Vogel. Ich muss Kajak-Rennfahrer werden. Ein Abfahrtsboot, ein so genannter Zahnstocher hab ich gleich bei der Probefahrt zerstört. Dann wurde ein Alterklassen-Abfahrer ein FLY gekauft. Los geht’s auf der Sanna. Am „Schiefen Eck“ war’s aus. In strammer Haltung hinter dem Boot her geschwommen. Dann Abstieg in die Touristenklasse. Drei waren gemeldet. Einer kam nicht, der zweite fuhr ein Loch in sein Boot, damit war ich Sieger, der „Sieger von Landeck“ mit Schweizer Militärmantel, Knobelbecher und Russenmütze samt Hammer und Sichel bei der Siegerehrung und mit Tiroler Blasmusik. Ein feiner Herr! Ein so genannter Spät 68er mit Vollbart und eben auch mit der Citroen-Ente, als Gegenstück zur etablierten Bürgergesellschaft, die nach dem Krieg endlich in Protz und Angeberei leben konnte.

Ski-Kanu auf der Tiroler Isar und dann Viererkar im Karwendel. Das hat funktioniert. Gestunken hat mir immer ein Münchner, der hatte Arme stark wie Oberschenkel. Als vierter Starter hinter mir, aber es dauerte nicht lang, dann rauscht er an mir vorbei. Nur Skifahren hat er nicht können. Rennen bin ich auch noch gefahren auf der Jagst, Kössner Ach mit der Entenlochklamm, Zemmschlucht-Ziller und zum Abschluss ein Bauernrennen auf der Wertach Richtung Bobingen. Dann waren die Ambitionen vorbei.

Und so gingen die Jahre dahin mit der Zeit versammelte sich eine „alte Deppen Mannschaft“ die auf dem Wasser leicht mal 200 Lebensjahre zusammenbringt.

Fazit: Kajak fahren ist ein Edelsport, dabei sind mir etliche zünftige Leute begegnet, Baiern, Preussen, Schweizer, Italiener, Tiroler. Auf den Strassen ist es immer gut gegangen, wenn die richtige Anti-Zyklische Reisezeit ausgesucht war, gings meist ohne Stau. Nur der Salbeck, der war zu schnell und hatte Pech. Stunden vor seinem Ende sind wir beide nach dem Kajakfahren Richtung Haiminger Alm aufgestiegen und sind dann die langen steilen Schuttreisen abgefahren, oberhalb wo heute die Autobahn vorbeiführt. Er zärtelte beim Gasthof Löwen in Magerbach-Haiming mit einer Katze, stieg in seinen gelben BMW, fort war er und dann ein Stück vor Reutte für immer. Selbst habe ich stets Massel gehabt: ein Unterwasserverklemmer im Loisach-Treppenhaus, zweimal zu Fuß im Ötzwehr bei Brunau (wo jeweils Wopperl um mein Leben bangen musste) und ein Baumverklemmer im Vesubie. Viele Schwümme waren zu absolvieren, etliche Boote wurden ruiniert, unzählige Straßenkilometer liegen hinter mir, dabei habe ich neun Fahrzeuge verschlissen. Ich durfte eine Zeit wirtschaftlicher Prosperität erleben mit Freiheit in der Natur, beides derzeit im Abwärtstrend. Es war möglich, zwischen zwei Bäumen ein Seil zu spannen, eine Plane darüber zu werfen, links und rechts abnadeln und fertig war das Biwak. Es kam kein Gendarm und kein Forstmensch. Die Mobilität ist inzwischen ausgeufert und viele Menschen können sich in der Natur nicht benehmen. Sie hinterlassen Dreck und Unordnung.

Die Kanu-Schwaben haben mir eine Brücke vom Erwerbsleben hin zur Rente gebaut, sie haben mich zum Hausmeister im Bootshaus gemacht, ich bin dankbar für dieses Leben. Als Jahrgang 33 werde ich nicht mehr lang im Boot sitzen, schaugn wir mal, dann sehns wir schon.

Ferdinand Molitorisz „Moli“ - Januar 2006

 

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