Nationale Qualifikation: Favoriten setzen sich durch – wenn auch mit Nervenkitzel

30.04.2023 22:00
von Marianne Stenglein
Augsburg im Wettkampffieber am Wochenende
Glückliche Schwestern - Emily und Elena freuen sich

Nationale Qualifikation: Favoriten setzen sich durch – wenn auch mit Nervenkitzel

Die Spannung im Kampf um die Plätze in der Kanuslalom-Nationalmannschaft war bis zum letzten Rennen am Sonntag in Augsburg hoch. Anders als im vorigen Jahr konnten sich nicht alle Etablierten vorzeitig durchsetzen. Beeindruckend war die stabile Leistung von Kajakfahrer Noah Hegge von den Kanu-Schwaben Augsburg, der nach drei Rennen sicher im WM-Team stand. Ebenso vorzeitig qualifiziert waren die Vereinskollegen Sideris Tasiadis im Canadier und Elena Lilik im Kajak sowie Kajakspezialistin Ricarda Funk (KSV Bad Kreuznach) und Canadierfahrerin Andrea Herzog (Leipziger KC).

Gewohnt eng ging es bei den Kajak-Herren zu. Herausragend auch an Tag vier der Qualifikation war die Leistung von Noah Hegge, der auch das zweite das Rennen in Augsburg gewann und sich damit in der Gesamtwertung deutlich von der Konkurrenz absetzte. „Es war immer mein Ziel, national Bester zu werden. Ich hoffe, dass es so weitergeht“, sagte der 24-Jährige an Wettkampftag drei. Um die zwei verbliebenen Plätze hinter Noah Hegge kämpften neben dem zweimaligen Olympiamedaillengewinner und Weltmeister von 2018, Hannes Aigner (Augsburger KV), und WM-Teammitglied aus dem vorigen Jahr Stefan Hengst (KR Hamm) auch Nachwuchstalent Tim Bremer (KST Rhein-Ruhr) sowie Hegges Bruder Samuel. Am Ende hatten Aigner und Hengst die Nase vorn. Dabei stand der Augsburger besonders unter Druck, da der Start in Markkleeberg mit den Rängen vier und sechs nicht optimal verlief. Der 34-Jährige hatte zuvor mit mehreren Infekten zu kämpfen, wodurch auch Trainingslager in Markkleeberg und London ausgefallen waren. Der Routinier sagte: „Es war schwierig nach den drei Rennen im vierten immer noch die Spannung hochzuhalten und den Kopf jetzt nicht in den Sand zu stecken, weil dreimal nicht alles ganz so funktioniert hat.“ Am Ende habe er sich auf seine Fähigkeiten verlassen müssen, „und das heute zum Glück noch ganz knapp gereicht, weil in der Vorbereitung vieles nicht ganz so gelaufen ist wie ich es gern gehabt hätte. Es waren schwierige zwei Monate bis zur Quali.“ Hengst verpasste diesmal, anders als voriges Jahr, das letzte Finale nicht, als er damals nur dank der Schützenhilfe von Aigner am Ende in das WM-Team rutschte. Doch ganz ohne Schützenhilfe wäre es auch diesmal nicht aufgegangen, denn den starken Halbfinallauf konnte der Hammer nicht wiederholen, dennoch reichte am Ende Platz fünf für ihn. „Ein bisschen den anderen überlassen habe ich es wieder, da ich heute im Finale mal wieder zwei Zweier gemacht habe. So war es doch wieder am Ende glücklich für mich, wie es heute ausgegangen ist. Wobei eben die anderen abliefern mussten, sie standen unter Druck. Jetzt kann ich endlich wieder befreit Boot fahren“, sagte der 29-Jährige erleichtert. Bitter ist der Ausgang für Samuel Hegge, der mit drei dritten Plätzen ebenso eine sehr gute Leistung zeigte, aber hauchdünn den Einzug in das WM-Team verpasste.

 

Im Canadier der Herren war die absolute Dominanz der Erfahrenen auch nicht mehr zu beobachten. Zwar konnte sich Weltmeister Tasiadis vorzeitig qualifizieren, dennoch kann er sich keine großen Fehler leisten, „denn dann sind die anderen da“, sagte der 32-Jährige anerkennend. So wurde er im ersten Rennen am Samstag in Augsburg beim Sieg von Timo Trummer (KV Zeitz) nur Vierter. WM-Dritter Franz Anton vom Leipziger KC musste nach seinen Plätzen zwei und drei in Markkleeberg und dem zweiten Platz in Augsburg im vierten und damit letzten Wettkampf liefern. Und das hat der 33-Jährige, er flog förmlich über den Kanal, als ob er den Kajakspezialisten Konkurrenz machen wöllte: „Da fehlen mir leider noch drei Sekunden. Aber ich bin zufrieden, dass es der schöne Lauf war, den ich für die Qualifikation wollte, den ich bis jetzt noch nicht ganz getroffen hatte. Aber heute.“

Ebenso unter Druck stand Trummer, dennoch so sagte der Zeitzer, „ich war eigentlich relativ entspannt. Ich dachte mir, noch einmal schön runterfahren, dass ich zufrieden bin.“ Nach seinem Sieg am Samstag und seinem zweiten Platz heute hat er gezeigt, dass er bei den Etablierten mitmischen kann. Das Nachsehen hatte damit Lennard Tuchscherer (Leipziger KC), der den Einzug in das WM-Team nicht schaffte

Deutlicher war der Ausgang im Damenbereich. Nach der Olympiasiegerin und Doppelweltmeisterin Ricarda Funk und der WM-Dritten Elena Lilik ist der Abstand zur restlichen Konkurrenz im Kajak-Einer immer noch vorhanden. Funk, die noch mit einer Erkältung zu kämpfen hat, sagte nach Lösen des WM-Tickets am Samstag, „das Ziel habe ich erst einmal erreicht. Mein Finallauf war teilweise gut, teilweise Plan B. Mein Risikomanagement musste ich auspacken. Die Strecke hatte Niveau einer WM-Strecke.“ Auf der etwas leichteren Strecke am Sonntag hatte Lilik erneut die Nase vorn und gewann somit auch die Gesamtwertung im Kajak-Einer. Sie konnte ebenso frei fahren, wie Funk, da sie das WM-Ticket bereits am Samstag buchte. Weil es für sie nicht optimal im wilden Wasser klappte, sagte sie, „ich war froh, dass ich es ins Ziel gebracht habe und kann mich morgen damit noch einmal auf den Canadier konzentrieren“, denn diesen Platz im WM-Team hatte sie noch nicht in der Tasche.

Um den dritten Nationalmannschaftsplatz kämpften vier Athletinnen, den am Ende wie im vergangenen Jahr Jasmin Schornberg vom KR Hamm für sich entscheiden konnte. „In diesem Jahr haben es mir die Mädels auf jeden Fall schwieriger gemacht, dass ich es wieder geschafft habe, ist irgendwie total verrückt und total schön.“ Aufgefallen ist Liliks jüngere Schwester Emily Apel. Die 20-Jährige hat über den Winter einen großen Schritt nach vorn gemacht. Mit ihr wird in der nächsten Saison ganz sicher zu rechnen sein.

Auch im Canadierbereich dominieren Weltmeisterin und Olympia-Bronzegewinnerin Andrea Herzog sowie Weltmeisterin von 2021, Elena Lilik. Letztere konnte sich zwar nicht vorzeitig qualifizieren, da sie nach ihren beiden Siegen in Markkleeberg beim dritten Wettkampftag in Augsburg aufgrund einer 50-Sekunden-Strafe im Halbfinale ausgeschieden war. Es war eine enge Entscheidung der Kampfrichter, die durch einen Videobeweis aber nicht untermauert werden konnte. Aber am vierten Tag ließ die 24-Jährige nichts anbrennen, zeigte einen fehlerfreien Lauf und gewann damit drei von vier Rennen. Damit ist sie auch Gesamtsiegerin. Trotz ihrer Klasse gab sie zu, „heute morgen war ich sehr aufgeregt, mir war auch ein bisschen schlecht, weil ich wusste, heute zählt es noch einmal. Ich bin sehr glücklich, wie ich es noch einmal heruntergefahren habe.“ Mit diesem guten Ergebnis in Richtung des ersten Weltcups am ersten Juniwochenende in Augsburg geschaut, sagte sie, „dreimal auf Holz gekloppt. Ich freue mich auf jeden Fall auf den Weltcup zuhause.“ Herzog hatte sich ihr WM-Ticket bereits am dritten Wettkampftag mit ihrem Sieg in Augsburg gesichert. In Markkleeberg war die 23-Jährige mit ihren Läufen noch nicht zufrieden gewesen. Dann die Erleichterung am Eiskanal, auch wenn ihr Lauf immer noch nicht perfekt gewesen sei. „Der Einstieg oben war ein bisschen kribbelig, es war ganz schön knapp an Tor drei. Aber ich bin froh, dass ich ohne Berührung heruntergekommen bin und auch ansonsten keine weiteren großen Fehler dabei hatte. Die Strecke war heute echt tricky“, sagte sie am Samstag. Den dritten Platz im Team holte sich wie im vorigen Jahr ihre Vereinskollegin Nele Bayn. „Eigentlich wollte ich in Markkleeberg schon bessere Ergebnisse erreichen, dafür habe ich es in Augsburg besser hinbekommen. So folgten nach ihren Rängen drei und vier am Eiskanal die Plätze zwei und drei. „Obwohl ich in Markkleeberg tagtäglich trainiere, finde ich Augsburg trotzdem sehr schön zum Paddeln und irgendwie liegt es mir vielleicht ein bisschen besser im Wettkampf“, sagte die 23-Jährige.

Das Fazit nach den Qualifikationsläufen fällt für Cheftrainer Klaus Pohlen durchwachsen aus. Noch immer drücken die Jüngeren in einigen Bootsklassen zu wenig nach. Dennoch in Richtung Olympia geschaut, wo jeweils nur ein Deutscher pro Bootsklasse starten darf, ist das deutsche Team gut aufgestellt. „Wer sich dann national durchsetzen wird, der kann auch um die Olympiamedaillen mitkämpfen“, sagte Pohlen in die Zukunft blickend.

Noch ist der Start bei der WM in London Ende September dieses Jahres nicht für alle gesichert. Einige müssen noch ihren Leistungsnachweis erbringen. Möglichkeiten dafür gibt es noch bei den European Games oder den ersten drei Weltcups. Sie müssen sich dabei einmal unter die besten 16 platzieren. Die offizielle Nominierung für die European Games und das Weltcup-Team gibt der Trainerrat nächste Woche bekannt.

Platzierungen nach den Qualifikationsrennen:

K1 Herren:

Hegge, Noah

KS Augsburg

Hengst, Stefan

KR Hamm

Aigner, Hannes

Augsburger KV

 

C1 Herren:

Tasiadis, Sideris

KS Augsburg

Anton, Franz

Leipziger KC

Trummer, Timo

KV Zeitz

 

K1 Damen:

Lilik, Elena

KS Augsburg

Funk, Ricarda

KSV Bad Kreuznach

Schornberg, Jasmin

KR Hamm

 

C1 Damen:

Lilik, Elena

KS Augsburg

Herzog, Andrea

Leipziger KC

Bayn, Nele

Leipziger KC

Der Bericht über die U 18 und U 23 mit Fotos erfolgt morgen. Wir gratulieren dem Nationalteam recht herzlich !

Marianne Stenglein/ Presse/Medien /30.04.2023 Text Uta Büttner / Fotos Marianne Stenglein

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