Olympische Spiele in Paris 2024 - Elena Liliks krasse olympische Momente: Emotional und sportlich

05.08.2024 08:16
von Marianne Stenglein

Solch ein wunderbarer Tag - Elena beschreibt ihre besonderen Momente in Paris

Olympische Spiele in Paris 2024 -  Elena Liliks krasse olympische Momente: Emotional und sportlich
Elena Lilik - großer Erfolg mit der Silbermedaille bei den olympischen Spielen 2024

Elena Liliks krasse olympische Momente: Emotional und sportlich

Olympia-Silbergewinnerin Elena Lilik beschreibt ihre ganz besonderen Momente in Paris und erzählt, wann alles angefangen hat. Zudem dankt sie Emma-Matratzen, die ihre Lebensretter waren. Und ein bisschen Lebensretterin war Lilik für die Bronze-Gewinnerin.

Das Schreien nach Elena Liliks Zieleinfahrt ging in dem Toben der Menschenmassen im olympischen Wildwasserstadion von Vaires-sur-Marne unter. Ihr Lauf war überragend. Jeder ahnte: Das muss eine Medaille sein. Dann stand es fest: Silber. Liliks Emotionen überwältigten die 25-Jährige. Sie hatte nur noch den unbändigen Wunsch, ihre Familie zu herzen. Doch die Augsburgerin hatte zunächst keine Chance, an ihre Liebsten – außer natürlich ihren Vater und Trainer – heranzukommen, die auf der Tribüne mitgefiebert hatten. Elena machte sich Sorgen um ihre Mama, denn das Warten nach ihrem Lauf war emotional doppelt so schwer wie dieser selbst. Warten, was dieser Lauf am Ende wirklich wert ist? Denn sieben Paddlerinnen starteten noch nach ihr.

Das gleiche Schicksal teilte die US-Amerikanerin Evy Leibfarth. Sie konnte mit der Anspannung in der Leadersbox gar nicht umgehen, berichtet Lilik. „Ich habe gedacht, die kippt vom Stuhl. Ich musste sie die ganze Zeit anfassen und habe versucht, mit ihr Atemübungen zu machen, damit sie ein- und ausatmet. Ich hatte echt Angst um sie“, weil sie schon hyperventiliert habe. „Sie hat nur noch gefiebt, hat keine Luft mehr bekommen.“

Als die Siegerehrung vorbei war, gab es kein Halten mehr für Lilik – sie brach in Richtung Tribünen zu ihrer Familie auf. Doch Mann Leon Lilik, Mama und Schwester Emily kamen aufgrund der vielen Leute nicht in die abgesperrte Zone, wo eigentlich ein Treffen möglich ist. „Ich hatte meine Familie die ganze Zeit gesucht, ich wollte nur zu ihnen.“ Deshalb hielt die 25-Jährige nichts mehr, ist kurzerhand unter der Absperrung durchgelaufen. „Ich habe im Augenwinkel gesehen, wie ein Security-Mensch angerannt kam“, erzählt sie. Die Hand von ihm später auf ihrem Rücken habe sie nicht gespürt. Der Mann wollte beide voneinander trennen, erzählt Fotograf Kevin Voigt, der sich für beide einsetzte. „Und ich habe mir dann gedacht: egal“, erzählt Lilik.

Es sind die ersten Olympischen Spiele für Elena Lilik. Was auf sie zukommt, davon hatte sei keine Ahnung. „Nach der Eröffnungsfeier war ich durch mit meinem Leben. Ich konnte nicht mehr, musste erst einmal klarkommen.“ Denn sie und Noah Hegge sind bis zum Schluss geblieben, da sie – anders als Ricarda Funk und Sideris Tasiadis – noch ein paar Tage Zeit bis zu ihren Wettkämpfen hatten. „Es war Regen, kalt, alles durch. Spät zu Hause gewesen. Deshalb war am nächsten Morgen klar, „zum Racen sind wir gar nicht ready, aber müssen wir auch nicht“, erzählt sie lachend. Am folgenden Tag kamen dann ganz kleine Zweifel auf, „hoffentlich verliert man das Gefühl für das Wasser nicht“, denn ein Training auf dem Wildwasser war nicht mehr erlaubt. „Aber dann habe ich mich mit der Situation ganz gut angefreundet.“ Doch als Funk und Tasiadis keine Medaillen holten, habe sie sich gefragt, ob es mehr Druck für sie bedeute. „Ich habe mit meinem Papa darüber geredet. Dann habe ich das aber auch wieder verdrängt.“ Thomas Apel, ihr Papa und Trainer zugleich habe ihr mitgegeben, sie solle die Läufe genießen. „Aber wie soll ich das machen? Genießen und gleichzeitig abliefern? Das wusste ich nicht.“ Und diese Anspannung war ihr im Halbfinale deutlich anzusehen.

Im Finale war diese große Nervosität weg. Sie zimmerte einen Lauf in den Kanal von Vaires-sur-Marne. Sie wusste, ihr war ein grandioses Rennen gelungen. „Ich habe nicht einmal die Zeit gesehen. Aber ich wusste, der Lauf war so gut und ich hätte nicht gewusst, was ich hätte noch besser machen können.“ Und deshalb brachen nach ihrem Zieleinlauf die positiven Emotionen aus ihr heraus, auch wenn sie noch lange warten musste, welche Platzierung am Ende auf der Anzeigetafel stehen wird.

Das Olympische Dorf finde sie „mega-idyllisch, trotz der vielen Leute. Trotz des ganzen Gewusels kann man dort echt supergut herunterkommen.“ Mit dem Bett habe sie allerdings massive Probleme gehabt. So habe sie nach der Pressekonferenz im Deutschen Haus am 25. Juli bei Emma-Matratzen gefragt, ob die irgendetwas für mich haben. Und ich habe dann wirklich noch an dem Abend eine Matratze ins Dorf bekommen. Da muss ich mich noch heftig bei Emma bedanken“, erzählt sie. Sie glaube, das wäre ihre Lebensrettung gewesen, „weil nach der ersten Woche Training konnte ich nicht mehr. Ich lag jeden Morgen auf dem Boden, mir hat alles wehgetan. Es ging nicht.“ Und auch das Essen habe sie sich tendenziell besser vorgestellt. „Mittlerweile komme ich zurecht“, aber die erste Woche sei schlimm gewesen. Sie wisse nun, welches Abteil dieser riesengroßen Mensa als Erstes angesteuert werden müsse. Auf keinen Fall solle man überall einmal schauen, was es so gibt und am Ende überall alles leer ist. „Das war in den ersten Tagen ein großes Problem, dass es viel zu wenig Essen gab. Und dann hast du 40 Minuten angestanden, und dann war es leer.“ Inzwischen seien sie aber gut organisiert.

Von einem ganz besonderen Erlebnis berichtet Elena Lilik, als sie Benjamin Boukpeti aus Togo, der 2008 beim Sieg des Deutschen Alexander Grimm Olympia-Bronze im Kajak-Einer holte, im Dorf traf. „Das war so krass.“ Als er damals die Medaille gewann, das sei der erste olympische Wettkampf gewesen, den sie angeschaut habe. „Mit ihm habe ich die Pins getauscht und zusammen auch das Kajak-Damen-Finale im Dorf angeguckt. Wir haben dann auch geredet, und das war so ein unwirklicher Olympia-Moment für mich“, weil jeder Kanute sich an diesen Moment erinnere, als Boukpetis Paddel nach dem Zieleinlauf brach. Dieser „krasse olympische Moment“ aus ihrer Kindheit sei immer in ihrem Gedächtnis geblieben, realisierte sie, „und dann sitzt der einfach mit uns da, schaut mit uns das Finale und nimmt sich die Zeit, mit uns zu reden“, schwärmt sie. „Und dann sagt er: Ja, was hast du gerade gesehen? Man darf nicht zu viel wollen und nicht die Linien cutten.“

Danach, so berichtet Lilik, „habe ich in meinem Zimmer erst einmal auf dem Boden gesessen und musste mit der eben erlebten Situation klarkommen. Weil mir das viel bedeutet hat.“ Es sei so komisch gewesen, weil ihr in dem Moment klargeworden sei, dass seit diesem Moment – seit 16 Jahren – , als Grimm gewann und Boukpetis Paddel zerbrach – der Wunsch in ihr steckte, so einen olympischen Moment auch zu erleben. „Alex hatte bei uns in der Nachbarschaft gewohnt. Der hat uns immer Überraschungseier mitgebracht, damit hat er uns gecatcht. Er war immer ein krasses Vorbild, nicht nur sportlich, auch menschlich. Und dann gewinnt er dort auch noch Gold, und mein Papa war vor Ort. Und da sitzt man als kleines Mädchen im Verein und schaut das erste Mal Olympische Spiele in seiner Sportart. Ich glaube, da hat es angefangen, auch wenn man es nicht oft an die Oberfläche gelassen hat, weil man nie wusste, ob es mal passieren wird oder nicht.“

In der nationalen Qualifikation hatte Lilik bewiesen, wie mental stark sie war. Vielleicht auch, weil sie seit Ende vergangenen Jahres mit einem Mentalcoach arbeitet. Das helfe ihr. Doch als es in den beiden Weltcups vor Olympia nicht so gut lief, sei ein Zweifeln wieder hochgekommen. Diese Gedanken waren ihr vor ihren olympischen Läufen auch wieder kurz in den Kopf gekommen, „aber das Gute ist ja, dass ich weiß, dass ich es eigentlich kann. Und ich habe mir gedacht, das musste alles so kommen, auch mit den Weltcups. Weil, man muss irgendwie heiß bleiben. Ich hatte noch keine Medaille in dieser Saison geholt, und das ist auch gut. Dann ist dieser Hunger noch nicht gestillt gewesen. Und ich glaube, das war heute auch ein bisschen der Grund für all das gewesen, weil ich mir sagte: Die Weltcups liefen nicht so gut. Jetzt hol‘ ich mir das Ding!“ Und dann war sie da – die olympische Silbermedaille.

Nach dem Medienmarathon wurde Elena Lilik im TV-Studio Eurosport im Hotel Raphael gefeiert. Und nachdem sie sich im Deutschen Haus noch einmal den Medien stellte, ging es unter großem Applaus zum Medal Walk. Auf der Bühne gefeiert, sagte sie überwältigt, „ich zittere total. So viele Menschen hier.“ Alles, wirklich alles, was sie gerade erlebt, sei noch so unwirklich.

Marianne Stenglein / Kanu Schwaben / z.Zt. in Paris / Text Uta Büttner / Fotos Marianne Stenglein & ICF

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